Vernunftkritik

Ansatzpunkt der feministischen Vernunftkritik ist der herrschende Vernunftbegriff. Seine Wurzeln liegen in der Aufklärung. Vernunft wird hier mit Rationalität gleichgesetzt  und das Gegensatzpaar rational – irrational aufgestellt. Was nicht der Definition von Rationalität oder Vernunft entspricht, wird als unvernünftig und irrational ausgegrenzt. Dadurch erhebt dieser klassische Vernunftbegriff den Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Die feministische Philosophie hat in ihren Analysen der traditionellen Denker schnell festgestellt, dass dieser Begriff, Vernunft = Rationalität, allein auf den Mann zugeschnitten ist. Die Frau kann und darf nicht in das Modell der rationalen Vernunft passen. Deshalb werden ihr Attribute zugeschrieben, die aus der Definition der männlichen Vernunft ausgeschlossen sind. Sie gilt als die Andere, als unvernünftig und irrational. (Vgl. Genevieve Lloyd)
Vorherrschend in der philosophischen Einschätzung des weiblichen Geschlechts war und ist es, ihm den Verstand abzusprechen. Als Ausgleich dafür werden die Frauen häufig mit der Natur gleichgesetzt. Diese grundlegende Verknüpfung der Frau mit Natur führt dazu, sie aus allen gesellschaftlich relevanten Bereichen fernzuhalten. Frauen werden auf physische Elementarprozesse reduziert, und sie können sich nicht als Subjekte etablieren. Durch diese Haltung wird die Frau auf den Status des Objekts und Pendants für den Mann beschränkt. Der Frau wird grundsätzlich die Rolle der Gefährtin des Mannes zugewiesen. Da sie im Zusammenspiel der Geschlechter immer als Schwächere gilt, kann sie das männlich geprägte Menschsein nie erreichen.

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