Frauenbildung

Erste Befürworterin der Frauenbildung in der Neuzeit war die niederländische Gelehrte Anna Maria van Schurmann (1607-1678). Sie war zum einen der Tradition der Renaissance-Humanistinnen verpflichtet war, zum anderen war sie ihrer Zeit weit voraus, indem sie die Ziele der bürgerlichen Frauenbewegung vorwegnahm. Schurmann selbst durfte durch Protektion als Gasthörerin an Vorlesungen der Universität teilnehmen und wusste dies zu ihrem Vorteil zu nutzen. Als Frau der Wissenschaften wurde diese selbständige und gebildete Frau häufig das Opfer von Satire und Spott, die ihren Wissensdrang als Sucht nach Äusserlichkeiten und leeren Bildungsansprüchen darstellten. Aber sie wurde auch begeistert gefeiert, doch nur solange man sie als Ausnahme und Seltenheit bestaunen konnte.
In ihrer Abhandlung De capacitate ingenii mulieribus ad scientias beschreibt Schurmann den Nutzen der Frauenbildung und argumentiert, dass sich Frömmigkeit und Bildung nicht gegenseitig ausschliessen. Denn ähnlich wie in der Renaissance wurde festgelegt, dass Keuschheit (zu der ja alle Frauen verpflichtet waren) und Bildung nicht miteinander vereinbar sind. Die studierende Frau sei wenigstens vom mittlerer Begabung und lernbereit. Die häuslichen Verhältnisse seien nicht zu eng. Nicht viele sind so glücklich, Eltern zu haben, die selbst ihre Töchter bilden können oder wollen. Auch muss die Lebenssituation der Frauen so sein, dass sie sich zuweilen von Frömmigkeitsübungen und Familiengeschäften freihalten können. Das Ziel weiblichen Studiums sei nicht eitler Ruhm oder unnütze Neugier, sondern die Ehre Gottes und das eigene Seelenheil, damit die Frau umso besser und glücklicher werde, ihre Familie bilde und leite und zudem ihrem gesamten Geschlecht nütze, soweit dies möglich ist.
Mit der Aussage, Bildung macht nicht unkeusch, betont Schurmann das Recht christlicher Frauen auf Studium und Wissenserwerb und führt an, dass eine Kenntnis der Welt und der Schöpfung Gottes für eine Frau kaum schädlich sein könne. Ihre Bildung sollte nicht der eigenen Macht dienen, sondern Selbstzweck sein; eine Zielsetzung, die für beide Geschlechter erstrebenswert sein müsste.
Schurmann liefert insgesamt 14 Argumente für die Berechtigung der Frau zum Studium: Diese reichen von den gleichen geistigen Anlagen der Geschlechter über die Gottähnlichkeit der Frau, bis zu ihrem Bildungsdrang. Es sei sogar besser den Frauen alle Bildungsmöglichkeiten zu öffnen, denn sie hätten genug freie Zeit, um sich mit den Wissenschaften zu befassen. Bildung vermittle Klugheit und diene damit der Bescheidenheit und dem guten Ruf einer christlichen Frau. Ausserdem würden sich die Frauen durch die Bildung mit geistigen Inhalten befassen und hätten weniger Zeit für Überflüssiges.
Mit ihren Argumenten zeigt Schurmann, dass sie die Frau in erster Linie als Christin sieht, und trotz ihrer aufgeklärten Gedanken hält sie Frömmigkeit und Bescheidenheit für ein notwendiges Regulativ des weiblichen Bildungsstrebens. Leider nutzt Schurmann nicht wie ihre Kollegin Marie le Jars de Gournay und andere die Gelegenheit, sich für das grundsätzliche Recht der Frauen auf Gleichheit einzusetzen. Sie verwendet sogar Argumente ihrer Gegner für ihre Zwecke und beschwichtigt die Bedenken der Männer, indem sie versichert, dass auch gebildete Frauen sich nicht in deren Berufe und Geschäfte einmischen würden. Wie viele andere Philosophinnen sieht auch Schurmann den Erwerb von Wissen als eine Form der Erkenntnis Gottes und damit als Weg zur wahren Frömmigkeit. Damit ist die Gelehrsamkeit der Frau zweckfrei, nur auf die geistig-religiöse Selbstentwicklung ausgerichtet und keine Gefahr für die männliche Gelehrtenwelt.

Die Bildungsdiskussion zog sich mit unverminderter Breite durch die frühe Neuzeit bis in die Aufklärung. Mit der geistesgeschichtlichen Epoche der Aufklärung bezeichnet man gemeinhin die philosophischen Strömungen im 17. und 18. Jahrhundert. Ignoriert wird in dieser Definition allerdings, dass es bereits vor der männlich-akademischen Aufklärung bereits eine weiblich-feministische gab. Noch bevor die Männer die Vernunftfähigkeit aller Menschen (jedenfalls aller Männer) propagierten, haben Frauen wie Marie le Jars de Gournay oder Mary Astell diesen Gedankengang im Bezug auf die Frauen vorweggenommen.
Immer wieder wurden in dieser Zeit Vorschläge gemacht, wie der mangelnden Bildung der Frauen abzuhelfen sei. Die Philosophin und Erzieherin Mary Astell (1666-1731) entwickelte zur Beseitigung des reformatorischen Bildungsnotstandes in England eine Form zwischen Kloster und Internat, die einerseits christlich orientiert, aber auch den Wissenschaften gegenüber offen sein sollte. Sie fordert eine intellektuelle Bildung für Frauen, die in einem monastery, eine Art protestantisches Kloster, vermittelt würde. Dort könnten die Frauen in einer Gemeinschaft leben, täglich zum Gebet zusammenkommen, wöchentlich zum Gottesdienst und gelegentlich zum Fasten. Aus dem gemeinsamen Leben in der Hingabe zu Gott sollen sie eine ähnliche Befriedigung ziehen wie einst die katholischen Nonnen. Allerdings sieht Astell keine strenge Hierarchie wie im Kloster vor, es gibt keine Äbtissin und keinen Beichtvater. Das monastery war von Astell als Unterstützung und Förderung für die Frauen gedacht, da sie aus eigener Erfahrung wusste, wie beschwerlich es ist, sich Bildung autodidaktisch anzueignen. Aber es sollte auch ein Zufluchtsort für die Frauen sein, der neben dem Studium der Wissenschaften auch religiösen Beistand bieten konnte. Die Notwendigkeit einer höheren Bildung für Frauen war für Astell unbestritten und sie entwickelte dazu einen Lehrplan, der zwar nicht die alten Sprachen einschloss, aber das Französische und das Studium zeitgenössischer Philosophen wie Descartes und Malebranche.
Die Ausbildung sollte die Frauen zu Klugheit und Frömmigkeit erziehen und ihnen ermöglichen, ihr eigenes Geschlecht zu unterrichten. Auch wenn sie später heirateten, wäre ihnen ihre Bildung für die Erziehung der Kinder von Nutzen. Die Basis von Astells College war die Liebe zu den Frauen insgesamt, zu ihren Freundinnen, zur Religion und zur Gelehrsamkeit. Deshalb ist auch die Freundschaft ein Grundpfeiler dieses Systems. Die Bedeutung der Freundschaft mit anderen Frauen zu erkennen, zu verstehen, welche unterdrückte Rolle sie in der Gesellschaft spielen und ihre untergeordnete Beziehung zum Mann zu begreifen, sei für den Erkenntnisprozess der Frauen besonders wichtig. Freundschaft ist nach der Liebe zu Gott am wichtigsten für die Menschen.
Obwohl Astell eine Befürworterin der Monarchie war, sah sie deren Umsetzung in der Kleinfamilie als problematisch an. Wenn alle Männer frei geboren sind, wie kann es sein, dass alle Frauen als Sklavinnen geboren wurden? In einer Monarchie werden die Pflichten der Einzelnen vom König festgelegt, aber in der bürgerlichen Ehe werde dieselbe Loyalität, die ein König fordert, auch vom Ehemann verlangt. Durch die Heirat legitimiert die Gesellschaft die Herrschaft des Mannes über die Frau. Den Ehemann bezeichnet sie als Monarch fürs Leben und stellt fest, dass die Tyrannei in der Ehe weitaus schlimmer sei, als in der Politik, weil 100.000 Tyrannen schlimmer sind als einer. Allerdings seien die Frauen auch selbst verantwortlich, so Astell, solange sie sich ihrem Ehemann blind unterwerfen. Frauen sollten in erster Linie ihre schmückende Rolle im Privatleben der Männer aufgeben und ein eigenes Selbst entwickeln. Sie fordert ihre Geschlechtsgenossinnen auf, sich nicht mehr mit ihrer untergeordneten Position zufriedenzugeben, sondern nach Höherem zu streben. Seid nicht länger Sklave auf dem stumpfsinnig ausgetretenen Weg der Eitelkeit und Torheit, den so viele vor uns gegangen sind, wagt es den Kreis zu durchbrechen, in den uns die Sitten gebracht haben, und verachtet die gemeine Welt, die alle Gewöhnlichkeiten unserer Nachbarn nachahmt. Lasst uns lernen auf uns selbst stolz zu sein, auf etwas, das vortrefflicher ist als die Erfindung einer Mode.
Grundlage ihrer Bildungsdebatte war die Feststellung, dass Frauen über genausoviel Rationalität und Vernunft verfügen wie Männer. In ihrer Philosophie ist das Individuum Teil der Seinskette und sich immer der Grenzen seiner geistigen Kräfte bewusst. Es ist in erster Linie vernunftbegabt, und da es sich selbst genau erkennen können sollte, muss es also ein erkenntnisfähiges Geschöpf sein. Für Astell besitzt der Mensch eine höhere unsterbliche und eine niedere sterbliche Seite seines Wesens, wobei sie der höheren den Vorrang einräumt. Alle Menschen verfügen über diese zwei Seiten, und Astell geht davon aus, dass beide Geschlechter die Fähigkeit zu denken besitzen, wenn nicht aktiv, dann als schlummerndes Potential. Dieses aus seinem Schlaf zu wecken, ist das Ziel des Lebens. Erreicht wird es durch die Vernunft, und dieser Weg sollte auch Frauen offenstehen. Die Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern führt sie in erster Linie auf die Erziehung zurück und fordert deshalb die gleiche Förderung und Bildung für Frauen.
Wie Schurmann war Astell nicht der Meinung, Frauen sollten die traditionellen Männerdomänen, Politik und öffentliche Ämter anstreben oder männliche Pfründe in Frage stellen, sondern sie sollten sich der Stärkung ihres Selbstwertgefühls widmen; deshalb war das Bildungsniveau ihrer Einrichtungen niedriger angesetzt als bei vergleichbaren Schulen für Jungen. Auch sollten die Frauen weiterhin für karitative und erzieherische Aufgaben in der Gesellschaft zuständig sein, auf keinen Fall dürften sie auf der intellektuellen Ebene mit den Männern konkurrieren.

Eingelöst hat den Bildungsanspruch dieser Vordenkerinnen in Deutschland nur eine Philosophin, die erste Frau, die an einer deutschen Universität Philosophie studierte: Dorothea Leporin Erxleben (1715-1762). Sie erkämpfte sich nicht nur für sich selbst dieses Privileg, sondern setzte sich auch dafür ein, dass eine Frau, die über die Fähigkeiten und das Interesse verfügt, nicht durch Vorurteile vom Studium abgehalten werden sollte. Erxleben selbst schreibt im Untertitel ihrer Dissertation, dass sie zeigen möchte, dass es möglich, nötig und nützlich sey, dass [sich] auch dieses Geschlecht der Gelehrsamkeit zuwendet.
Ganz im Geist der Aufklärung verteidigt sie den Nutzen der Gelehrsamkeit und kritisiert, dass so ein kostbarer Schatz verachtet werde. Die Verachtung liegt im Ausschluss der Frauen, und zwar obwohl die Vernunft bei allen Menschen gleich sei: Der allwissende Schöpfer hat sowohl dem weiblichen als auch dem männlichen Geschlecht die Fähigkeit gegeben, die Wahrheit zu erkennen und vom Falschen zu unterscheiden. Und dass sie selbst dazu in der Lage ist, zeigt sie, indem sie die üblichen Einwände gegen Frauenbildung entkräftet. Sie diskutiert die zahlreichen Vorurteile, die Frauen mit Bildungswunsch (und sicher auch ihr selbst) üblicherweise begegnen: die Frauen verfügen nicht über die nötige Urteilskraft, Gelehrsamkeit schicke sich nicht für Frauen, da sie auch keinen Gebrauch davon machen könnten, oder das Studium mache Frauen hochmütig. Mit Geschick entwertet Erxleben diese Argumente, indem sie die Männer mit ihren eigenen Waffen schlägt. Die fehlende Urteilskraft der Frau streitet sie nicht einfach ab, sondern versieht diese mit mehr Erfindungsreichtum, durch den sie das Fehlende aufholen könnte. Die Schicklichkeit der Gelehrsamkeit macht sie den Männern durch deren gesellschaftlichen Nutzen schmackhaft. Und was kann bei dem allen diesem Geschlecht nützlicher seyn, als wenn man bemühet ist das Gemüth desselben in den Stand zu setzen, dass sie das wahre von dem falschen und Schein-Guth zu entscheiden wissen, dass sie wahre Tugend hoch achten, und was mit dieser streitet ernstlich fliehen. Dieses alles aber kann nicht gewisser, als durch die Studia befördert werden, folglich sind dieselben dem weiblichen Geschlecht in der Jugend sehr nützlich. Gelehrsamkeit kann die Verstandes- und Willenskräfte des Menschen läutern und steigern. Eine solche Verbesserung der Frauen wird dann durch ihre Aufgabe in der Gesellschaft, vor allem als moralisches Vorbild für Kinder und Männer, zum Vorteil aller. Deshalb besteht der Nutzen der weiblichen Gelehrsamkeit nicht nur in ihrer persönlichen Entwicklung, sondern wirkt sich auf die gesamte Gesellschaft aus. Der Vorwand, gelehrte Frauen seien hochmütig, löst sich bei Erxleben in Wohlgefallen auf, da sie feststellt, dass Frauen nur deshalb mit Stolz und Hochmut auf ihre Gelehrsamkeit reagieren könnten, solange diese etwas Außergewöhnliches sei. Wären gelehrte Frauen an der Tagesordnung, gäbe es keinen Grund mehr für Hochmut.
Im Gegensatz zu einigen ihrer Geschlechtsgenossinnen schliesst Erxleben die Frauen keineswegs aus Ämtern oder den Wissenschaften aus, sie selbst hat ja auch als Ärztin praktiziert. Doch was wollen wir hierüber streiten, da das weibliche Geschlecht von den bereits angeführten Ämtern derer Gelehrten keines weges schlechterdings auszuschliessen ist. Gesetzt aber, man will auf das strengeste verfahren, und dieses behaupten, so hat dennoch das weibliche Geschlecht wie die gantze Gelehrsamkeit, also auch ins besondere diejenigen Theile derselben, von welchen hier die Rede ist, sehr nützlich anzuwenden Gelegenheit und Mittel genug.
Erxleben geht in ihrer Untersuchung von der Gottebenbildlichkeit beider Geschlechter aus. Sie ist die Grundlage für ihre Widerlegung der Argumente gegen die Frauenbildung. Dabei hält sie die Vorurteile gegen die Vernunftbegabtheit der Frauen für durchaus verständlich, wenn auch nicht zutreffend. Sie kritisiert, dass die Frauen selbst durch den mangelnden Einsatz ihres Verstandes die Ursache dafür liefern würden. Aber dieser Mangel sei behebbar, allerdings nur mit dem entsprechenden Willen von seiten der Frauen. Erxleben geht sogar so weit, obwohl sie die gesellschaftliche Ablehnung gegen gebildete Frauen und die Probleme mit dem Zugang zur Bildung kennt, den Frauen die hauptsächliche Schuld daran zu geben, ihren Verstand nicht genügend auszubilden. Da aber der Verstand allen Menschen gemeinsam sei, und den Männern das Studium vor allem zur Überwindung ihrer Leidenschaften und Affekte diene, könnte es auch Frauen nützen, wenn sie die Möglichkeit ausschöpfen würden. Sie könnten ihre Krankheiten und Schwächlichkeiten überwinden. Gerade weil Frauen als Schwächere und Empfindlichere gelten, läge in der Bildung die Möglichkeit, diese Mängel zu bewältigen. Die menschliche Natur ist für sie nicht starr und unveränderbar, sondern variabel und verbesserbar. Fazit ist: Da die Gelehrsamkeit eine allgemein nützliche und notwendige Sache ist, sind die Bestrebungen, die Frauen vom Studium auszuschliessen, abzulehnen, sowohl von der Seite der Gelehrsamkeit aus als auch von der der Frauen selbst. Mit einem Worte die Studia sind nützlich jungen und alten, reichen und armen, hohen und niedrigen; sie sind nützlich dem, der andern zu befehlen hat; sie sind nützlich dem, der andern Gehorsam schuldig ist; sie sind nützlich Gesunden und Kranken, Betrübten und Fröhlichen, und Niemand der die Fürtrefflichkeit derselben kennet, wird zweiffeln, daß sie auch dem weiblichen Geschlecht sehr nützlich seyn.

Trotz der klugen Argumentationen und der Bestrebungen dieser Philosophinnen um die gesellschaftliche Akzeptanz der Frauenbildung, verschlechterte sich die Situation der Frauen in dieser Hinsicht zunehmend. Im 16. und 17. Jahrhundert war es die finanzielle Notwendigkeit, die viele Frauen des Bürgertums noch zur Erwerbstätigkeit und damit auch zu einem gewissen Mass an Bildung zwang. Doch mit dem zunehmenden Wohlstand des Bürgertums war die berufliche Arbeit der Frauen nicht mehr lebensnotwendig, und die Frau wurde vom öffentlichen Leben abgeschnitten.