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Fortsetzung: Anna Maria van Schurmann

Von einer Philosophin ist mit Sicherheit überliefert, dass sie
auch von den Universitätsgelehrten öffentliche Anerkennung erhielt,
Anna Maria van Schurmann (*1607, †1678). Ihre umfassende
Bildung in den Wissenschaften und auch in den Sprachen
ist genauso einzigartig, wie ihre Anerkennung in der männlichen
Gelehrtenwelt. Eine Ausnahme ist sie auch, weil sie als einzige
Frau an den Vorlesungen des Theologen Rivet an der Universität
in Utrecht teilnehmen durfte. Dafür wurde extra eine verhüllte
Loge in den Hörsaal gebaut, um sie von den männlichen
Studierenden abzuschirmen und deren Konzentration nicht zu
stören.
Schurmanns Werk umfasst neben lateinischen Gedichten zahlreiche
Prosaschriften zu unterschiedlichen Themen, die aber
immer von einem philosophischen und theologischen Standpunkt
aus beleuchtet wurden. Ihre bekannteste Schrift ist sicherlich
die so genannte Dissertatio, 1638 unter dem Titel Dissertatio
logica de ingenii muliebris ad doctrinam et meliores litteras aptitudine,
cui accedunt epistolae aliquot (Schurmanniae ipsius et Riveti)
eiusdem argumenti (deutsch: Darf eine christliche Frau studieren?),
in Paris gedruckt. Grundlage ist ein Briefwechsel mit
Rivet, in dessen Mittelpunkt die These steht, dass auch für
christliche Frauen das Studium geeignet sei. Streng rational und
logisch aufgebaut, stellt Schurmann ihre Beweisführung nach
scholastischem Muster auf. Sie liefert 14 Argumente für die Berechtigung der Frau zum Studium. Zu ihnen gehören beispielsweise folgende Feststellungen: Prinzipiell haben alle Menschen,
auch Frauen, die Fähigkeit, sich mit den Wissenschaften zu befassen,
und wenn sie das möchten, darf man ihnen das Studium
nicht verbieten. Frau und Mann sind gleich geschaffen und dürfen
sich mit hohen und himmlischen Dingen befassen. Vor allem
Frauen, die nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen,
sollten sich, statt untätig zu sein, mit den Wissenschaften beschäftigen.
Da Frauen tugendhaft sein müssen, und die Klugheit
eine Tugend ist, sollten die Wissenschaften auch ihnen offen stehen,
denn was den Verstand fördere, könne nicht unchristlich
sein. Die Wissenschaften führen zu tiefer Gottesliebe und Ehrfurcht,
schützen gegen Ketzerei und helfen sie zu erkennen, sie
führen zur Klugheit, ohne den guten Ruf und die Bescheidenheit
zu schädigen, sie führen zu wahrer Seelengröße und Geistesadel,
erfüllen den Geist des Menschen mit ehrbarem Vergnügen und
überwinden Unwissenheit und Ignoranz.


Auszug aus: Ursula I. Meyer: Die andere Philosophiegeschichte, Aachen 2007

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